Mitgegeben auf den Weg

11. Januar 2025

Unabgelaufene Füße

Das Jahr 2025 ist nun elf Tage alt. Die ersten Tage des neuen Jahres sind um. Wie fühlt es sich für Sie an: ist das neue Jahr für Sie noch ganz neu und unberührt, haben Sie noch das Gefühl, es hat etwas Neues begonnen oder haben Sie das Gefühl, es ist schon wieder alles beim Alten? In meiner Seele ist beides vorhanden. Zum einen hat der Alltag schon wieder
begonnen. Das heißt einige Vorsätze, die ich mir vorgenommen hatte, habe ich schon längst über den Haufen geworfen. Aber zugleich möchte ich diesen Neuanfang, dieses Unberührte, das nach den ersten Tagen 2025 noch da ist, unbedingt festhalten. Für etwas Neues, wie dieses   Jahr,   gibt   es   schöne   Vergleiche.   Ein   besonders   schönes   Bild   stammt   von   dem evangelischen Theologen Fulbert Steffensky. Er erzählt, wie er  mit seiner Enkeltochter einmal eine befreundete Familie besuchte, die  gerade ein kleines Kind bekommen hatte. Seine Enkelin war ganz fasziniert von dem Baby, das auf dem Tisch lag und schaute es lange intensiv an. Und ganz plötzlich meinte sie, und streichelte dem Baby  dabei über die nackten Füßchen: „Es hat so schöne unabgelaufene Füße!“ Unabgelaufene Füße, welch schönes Wort! Da sieht man vor sich: die Zartheit, die weiche Haut, keine Verletzungen, da ist noch keine Hornhaut gewachsen. Immer, wenn etwas neu anfängt, hat es unabgelaufene Füße.
Wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wenn ein Kind geboren wird oder wenn es zur Schule kommt. Wenn der Sohn oder die Tochter von zu Hause auszieht und auf eigenen Füßen steht. Wenn eine Liebe  zwischen zwei Menschen beginnt. Dies alles und noch viel mehr hat so schöne unabgelaufene Füße. Dies gilt eben auch für ein neues Jahr. Das heißt, da ist noch nichts an Enttäuschung, an Verletzung, an  gedankenlosem Trott, an Ärgerlichkeit und Enttäuschung. Das Neue hat noch Glanz, es hat noch seinen Zauber. Nichts ist verstaubt, verdreckt, ermüdet oder wundgelaufen. Deshalb ist jeder Jahresanfang, wie wir ihn im
Januar haben, mit dem Bild der unabgelaufenen Füße eine Erinnerung an die Zartheit und den Glanz des Neuen und des Unberührten, eine Erinnerung an eigene Hoffnungen. 

Pastor Thomas Delventhal, Meinerdingen