In die Klinik kam sie mit ihrem Wohnmobil. Das Auto war ihr Zuhause geworden, eine Wohnung hatte sie nicht mehr. Viele Jahre hatte sie ihren kranken Mann gepflegt. Nun schien sie körperlich am Ende. Im Rückblick sagte sie, dass es ein Wunder sei, dass sie diese Zeit überhaupt überlebt hatte. Ein Lebensweg, der in eine Sackgasse geraten war. In unseren Gesprächen beeindruckte mich, wie strukturiert sie in dieser scheinbar ausweglosen Lebenslage dachte und plante.
Sie erzählte mir von ihrer Idee, Gott in seinen diversen Seinsweisen als eine Löwenzahnpflanze zu malen. Gott, den Schöpfer, sah sie in den grünen Blättern des Löwenzahns. Jesus und die Liebe, die mit ihm in die Welt gekommen ist, in der leuchtend gelben Blüte. Und den Heiligen Geist, der weht, wann und wo er will, in den Pusteblumensporen. Die Idee gefiel mir. So hatte ich Glaube, Liebe und Hoffnung noch nicht gesehen. Kurz nach ihrem Besuch bekam ich ein großes Paket mit einem Bild. In meinem Büro blicke ich seither auf ihren Löwenzahn als Blatt, Blüte und Spore. Leider sei es nicht ganz so ordentlich geworden wie gewünscht schrieb sie dazu. Sie hatte ja keinen Tisch, um das Bild darauf zu malen.
Ein halbes Jahr ist seither vergangen, inzwischen bekam ich ein zweites Mal von ihr Post. Vieles sei passiert in ihrem Leben, das sie selbst nicht für möglich gehalten hätte. Sie habe sich selbst neu erfunden, schrieb sie, und eine Wohnung ebenso gefunden wie eine neue Liebe. Nun kann sie noch einmal lieben und das Leben in vollen Zügen genießen.
Wenn ich Löwenzahn sehe, denke ich seitdem an sie. Und an die vielen Möglichkeiten bei Gott und den Menschen. Ich staune. Meine Zuversicht darf sich nun gern an den Löwenzahn halten.
Pastorin Silke Meisner, Klinik Fallingbostel